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Heißt hier wer Techniker?

Veröffentlicht: August 2023

Dieser Text befasst sich mit der Diskriminierung von Frauen im Zusammenhang mit unserem Projekt.

Solltest du diese oder ähnliche Erfahrungen bereits selbst gesammt haben, brauchst du diesen Text vermutlich nicht zu lesen. Denk lieber an etwas schöneres :)

Der Text befasst sich derzeit ausschließlich mit der Diskriminierung auf Grundlage des Geschlechts. Andere Formen der Diskriminierung konnten wir in unserem Projekt aufgrund fehlender Diversität noch nicht beobachten. Wir gehen allerdings davon aus, dass die Situation für andere Personengruppen noch verschärfter oder allenfalls vergleichbar ist.

„Heißt hier wer Techniker?“, fragte eine Kollegin auf einer Veranstaltung, nachdem sich ein Künstler permanent bei „dem Techniker“ bedankte. Schnell bemerkte ich, dass mich diese Frage mehr trifft, als mir lieb ist.

Es kommt oft vor, dass Personen nach „dem Techniker“ verlangen, es handelt sich für die meisten ja schließlich um die gängige Bezeichnung. Problematisch wird es, wenn ich als Technikerin vor ihnen stehe, sie aber trotzdem nach „dem Techniker“ verlangen. Auch das kommt leider häufig vor.

Wird die weibliche Form im Sprachgebrauch nicht mitgedacht, brennt sich eine Erwartungshaltung ein, einen männlichen Techniker vor sich zu haben. Stehe ich dann also da, und bin eindeutig kein Techniker, werde ich regelmäßig ignoriert und mein Können aberkannt.

Es kommt vor, dass ich von Personen gefragt werde, ob denn auch jemand das Mischpult bedienen könne – und das, nachdem ich vorher zahlreiche technischen Detailfragen geklärt sowie offensichtlich auch vor Ort die Technik aufgebaut habe. Denkt ihr, meine männlichen Kollegen haben solch skeptische Nachfragen schonn einmal erlebt?

Übergriffes Einmischen in die Arbeit wird von anderen Männern zum Beispiel so kommentiert:

„Ach lass sie doch, wird sie schon merken“

Manche Personen sind der Meinung mir erklären zu müssen, welchen Knopf ich wo genau drücken müsse – obwohl ich mit den Geräten mehrfach die Woche arbeite, sie stellenweise sogar selbst angeschafft und eingerichtet habe. Welcher Mann würde sich denn von während der Arbeit einer zufälligen weiblichen Person sagen lassen, wie sie das Mischpult zu bedienen hat? Aber für mich muss das okay sein?

Soll ich meine Arbeit pausieren, um diesen Menschen zuzuhören, selbst wenn sie sich nur aufspielen und augenscheinlich selbst wenig Ahnung haben? Meinen männlichen Kollegen gegenüber verhalten sich diese Männer anders. Die lässt man in Ruhe arbeiten und kommentiert nicht jeden Knopfdruck, jeden Klick im Menü, jeden möglicherweise kurz verwirrten Blick.

Dieses Verhalten ist übergriffig und inakzeptabel. Es behindert mich in meiner Arbeit, und ich erhalte klar das Signal: Wir trauen dir nichts zu!

Sexistische Bands sagen zum Beispiel:

„Bei Strom, Wasser und Frauen weiß man nie, wohin sie gehen.“

Alltägliche Einzelfälle

Keineswegs ist sexistisches Verhalten auf „alte weiße Männer“ in Deutschrockbands begrenzt. Es passiert nicht „hier und da“, sondern ist auf fast allen Veranstaltungen Alltag, auf den ich an den schönsten Tagen vorbereitet sein muss.

Ob jung ob alt, ob links ob grün, auch in Kontexten, die für Gleichberechtigung und Integration kämpfen, ist noch nicht immer angekommen, dass ich als Frau technisch kompetent sein kann.

Auch auf Demonstrationen und Festivals kommt es vor, dass sich Personen über mich lehnen, um Knöpfe und Regler selbst zu bedienen, für die ich zuständig bin. Ich werde übergangen, selbst wenn ich mich klar als Technikerin kennzeichne.

Besonders dreist: Stellenweise werden sogar unbeteiligte Teilnehmer (keine Teilnehmerinnen) gefragt, wenn sie in der Nähe der Technik stehen. Ich stehe in Arbeitskleidung und mit ein paar Kabeln daneben und bin offensichtlich unsichtbar.

Lobet die Technikerin!

Nicht immer werde ich nur ignoriert. Selten aber manchmal werde ich für meine Arbeit auch überschwänglich gelobt. Freuen kann ich mich darüber jedoch nicht, denn der Tonfall suggeriert: Ich bekomme den Dank nicht, weil es besonders gut lief. Ich bekomme den Dank, weil es gut lief, obwohl ich eine Frau bin.

Besonders auffällig ist dies, wenn ich mit männlichen Kollegen im Team arbeite. Ich bekomme mehr oder sogar als einzige das Lob. Offenbar ist man überrascht, dass ich nicht völlig inkompetent bin.

Was nett klingt, ist auf den zweiten Blick auch wieder nur ein Ausdruck von Diskriminierung. Vielleicht nicht von jedem abwertend gemeint, zerstört meine Laune aber ebenso.

Diskriminierung: Immer, ständig, überall.

„Aber ich würde doch niemals…“ - obwohl die oben genannten Beispiele Extreme bezeichnen, ist fast jede Veranstaltung ein Problem. Diskriminierung geschieht unterschwellig, begleitet aber nahezu jede Situation.

Unser Team besteht aus gemischten Geschlechtern. Wer wird vor Ort angesprochen? Richtig geraten.

Jemand wartet auf meinen beschäftigten Kollegen. Ich frage, ob ich helfen könne. Nein, man wartet lieber den Augenblick auf ihn.

Das Problem ist alltäglich, und der Alltag wird zum Problem. Bei Veranstaltunegen bin ich immer wieder abwertenden Kommentaren ausgesetzt, welche ich in der Regel einfach herunter schlucke, um den Künstler*innen einen möglichst guten Auftritt zu ermöglichen.

Mir macht die Arbeit mit Technik, Mischpulten, Mikros und Licht Spaß. Dennoch gehe ich nach Veranstaltunen immer wieder mit einem schlechten Gefühl nach Hause, da ich als Frau und meine Arbeit weniger respektiert werden, als meine Kollegen und ihre Arbeit. Es ist ungerecht, dass ich bei jeder Veranstaltung der Gefahr ausgesetzt bin, sexistisch behandelt zu werden.

Das Resultat von abwertenden Kommentaren, übergriffigem Verhalten und ständiger Korrekturen führen nicht nur zu einem schlechten Gefühl. Ich bin nicht nur genervt, sondern komme auch zu Selbstzweifeln. Bin ich wirklich minderwertig? Ist meine Arbeit schlechter? Hätte mich anders anziehen sollen?

Niemand hat das Recht meine Arbeit schlecher zu bewerten, nur weil ich eine Frau bin oder an einem warmen Tag ein T-Shirt mit Ausschnitt trage. Nichts davon hat Einfluss auf meine Erfahrungen mit Mischpult, Lautsprechern und Mikrofonen!

Und was sagen die Männer dazu?

Dieser Abschnitt wurde von männlichen Kollegen verfasst.

Ich fühle mich oft hilflos und weiß nicht, was ich tun soll. Meist fällt mir erst nach einer Situation auf, dass einige Kommentare, Blicke und Handlungen meine Kolleginnen herabwürdigen. Diese unterschwellige Diskriminierung sorgt aber bei allen für schlechte Laune.


Es ist schon merkwürdig. Wir besprechen Technik für eine Veranstaltung, Meine Kollegin hat bisher alles geklärt und den Kontakt aufrecht erhalten. Ich stoße später dazu, aber ab dann richtet sich alles an mich. „Du machst mir dann ein Angebot“. „Du sagst mir dann, was Du mir aufbauen kannst“. „Danke, dass Du Deine Technik dafür zur Verfügung stellst“. Plötzlich gibt es für mein Gegenüber kein Team mehr, alle Technik des Projektes wird verbal meinem eigenen Besitz zugeschrieben.


Wenn man in einer Situation das Gegenüber darauf anspricht, ist es ja auch wieder „der starke Mann“, der die Situation klärt und sagt, wo es entlanggeht. Leider scheinen viele aber nicht gewillt zu sein, den Frauen im Projekt zuzuhören.

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